Wie sich das anfühlt 2 Wochen jeden Tag Radrennen fahren? 2.200km, auf einer Meereshöhe von bis zu 4.000m, Etappen mit bis zu 230km und fast 4.000hm? Vom Tibet Plateau bis zur Wüste Gobi, vom Dauerregen bei 5 Grad bis zur zermürbenden Hitze bei 40 Grad. Es ist einfach eine unglaubliche Quälerei. Aber warum machen wir das?
Weil wir damit die Welt sehen, Dinge, Menschen und Landschaften die beeindrucken. Weil wir damit Menschen begeistern können und die uns begeistern. Wieder einmal konnten wir erleben, welche Faszination und Begeisterung es in der ganzen Welt für den Radsport gibt, auch oder vor allem dort wo wir es nicht vermuten.
Wir sind in China, weit weg von unserer Europäischen Welt. Vieles ist hier anders, vieles für uns sehr gewöhnungsbedürftig. Aber China ist ein unglaubliches Land, unsere Alpen wirken im Vergleich zu den Landschaften dort wie ein Sandkasten im Vergleich zu einem Tagebau. Und ja, Menschen gibt es dort auch mehr, deutlich mehr, dass haben wir alle schon mal gelesen, aber dort bekommt man es jeden Tag vor Augen geführt.
Als wir in Peking am Flughafen landen und auf großen Fernsehbildschirmen Vorberichte zum Rennen sehen, dessen Startort wir erst 1.600km später nach erneutem Flug erreichen, haben wir eine leise Vorahnung was uns erwarten wird. China hat ca. 1,4 Milliarden Einwohner und ist das drittgrößte Land der Erde. Wir hören hier viel über China, sicher aber nicht das es eine Radsportnation ist.
Aber als wir in Xining, einem 2 Millionen Einwohner „Dorf“ am Start der ersten Etappe stehen, über uns die Hubschrauber des chinesischen Fernsehen greisen und etwa 500.000 Menschen den Stadtkurs säumen, sind wir einfach nur noch sprachlos. Auch in den nächsten Tagen, immer wenn das Rennen eine Stadt durchquert, stehen hunderttausende Zuschauer an den Straßen. Dazwischen müssen wir uns über Berge quälen, die weit aus höher gehen, wie jemals ein Berg bei der Tour de France. Das ist nicht ganz einfach, auch nicht ganz ungefährlich. Ab knapp 3.000m wird die Luft doch sehr dünn, sobald man kurz in den „roten Bereich“ geht, bereut man es zutiefst und versucht irgendwie wieder zu Luft zu kommen. Aber oben angekommen, teilweise nach 50km langen Anstiegen ist man in einer anderen Welt, Bilder die man nie vergessen wird.
Die Tour of Qinghai Lake ist ein Rennen der HC Kategorie, hier sind nur noch Profiteams am Start, nicht wenige Fahrer die schon bei den großen Rundfahrten Tour de France, Giro d´Italia oder Vuelta Espagna erfolgreich waren. Wir als kleines Team mittendrin, sehr motivierend aber auch sehr einschüchternd. Haben wir auf einer solchen Bühne etwas verloren? Die Fahrer welche die Gesamtwertung des Rennens bestimmen fahren in einer anderen Klasse, nicht alle Leistungen scheinen uns nachvollziehbar. Oft beenden wir die Etappen im „Grupetto“, dem Feld hinter dem Feld. Aber wenn man Seite an Seite mit großen Namen wie dem deutschen Sprinter Robert Förster (Giro d´Italia und Vuelta Espagna Etappensieger) die Berge hoch fährt und sieht, dass er genau so zu kämpfen hat, dann wird doch alles etwas erträglicher.
Das Rennen ist zermürbend, unsere Fahrer Timo, Karsten und Fabian stürzen, haben Schmerzen müssen das Rennen irgendwann beenden. Unser Betreuer geben jeden Tag alles um Fahrer und Material wieder fit zu bekommen. Und dann gibt es diese Etappen wo wir Glück haben und Fahrer wie unsere beiden Eritreer Meron und Mekseb. Sie wohnen in Eritrea in der Hauptstadt Asmara auf 2.300m, sie sind die Höhe gewöhnt. Mekseb gilt als großes Talent, wurde von der UCI schon in die Schweiz zum Centre Mondial du Cyclisme eingeladen und hat dieses Jahr bereits die Tour d´Algerie UCI 2.2 gewonnen. Er fährt in China gleich 5 mal unter die Top 20 und auf der 6. Etappe nach 208km sogar auf Platz 6. Und auch auf der letzten Etappe mischt BIKE AID vorne mit. Die letzten fünf Fahrer im Rennen (Daniel, Lars, Matthias, Meron und Mekseb) sind erleichtert, sie sind bis zur letzten Etappe gekommen, das euphorisiert. Alle ziehen an einem Strang und bringen Meron ins Finale, wo er den 8. Platz erlebt. Das sind große Ergebnisse, die ersten Top Ten Plätze für unser Team bei einem HC Rennen. Aber das Erlebnis China auf sportliche Erfolge zu reduzieren wäre schade, das was wir von dort Mitnehmen ist weit aus mehr.
Ergebnisse Tour of Qinghai Lake 2014
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