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Wüstensand im Getriebe – Radrennen in der Westsahara

Donnerstag, Mär 6, 2014 in Pro Cycling

Ein ungewöhnlicher Saisoneinstieg für das BIKE AID Team bei 3 Eintagesrennen des UCI Kalenders in einer anderen Welt.
 
Während sich die Karnevalszeit hierzulande ihrem jährlichen Siedepunkt nähert, steigen ein paar Rennfahrer ins Flugzeug, um eine Reise über Casablanca in die Westsahara anzutreten. Ein Gebiet wo keiner von uns zuvor jemals war, Radsport gibt es eben in der ganzen Welt. Ein paar kurze Blicke bei Google, Wikipedia und auf die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes dienen zur Aneignung eines kleinen Halbwissens wo es da hingehen wird und lassen darauf hindeuten, dass diese Region Marokkos doch ihre Eigenheiten hat. 
 
Die Wüste: Sonnenlicht ohne Ende und die seichten Sandhügel bieten eine Kulisse, die auf Fotos die Sehnsucht in die Ferne erwecken lässt. Die Motive bestens ausgeleuchtet, der Sand erinnert an angenehme Sommertage an Stränden und er bietet einen Kontrast, der die Farben auf den Trikots der Rennfahrer besonders zur Geltung bringt. Soweit zu den Fotos. Steht man aber auf eine Straße in der Westsahara und will dort mit dem Rad fahren so schwindet alle Illusion auf der Stelle. Der Wind bläst mit einer uns unbekannten Härte. Dies bedeutet, dass wir gegen den Wind die vermutlich langsamste Durchschnittsgeschwindigkeit erlebt haben, die wir je in einem Rennen gefahren sind und dies bei maximalem Krafteinsatz. Aber mit dem Wind sind wir dann auch mal ein 140km Rennen in einem Schnitt von 54km/h gefahren. Kommt der Wind von der Seite, so befindet sich ein nicht unerheblicher Anteil an Sand oberhalb des Bodens, der seinen Weg in jeden Ritz des Rades, der Kleidung, den Haaren und sonst wo hin findet. 
 
Die Rennen: Unsere Delegation bestand aus Yannick Mayer, Daniel Bichlmann, Justin Wolf, Michael Hümbert, Timo Schäfer und Matthias Schnapka. Unser Ziel war es, zu Saisonbeginn etwas in Tritt zu kommen, sich wieder an schmerzende Muskeln durch Lactatstau für die anstehenden Rennen in Europa zu gewöhnen. Ein paar Teams aus Holland, der Slowakei, der Türkei, Italien und der Schweiz hatten vermutlich ähnliches vor. Wir stießen auf drei marokkanische Nationalmannschaften, die die Wüste verständlicher Weiße besser kannten als ein paar Europäer. Der Wind war ihr Freund, so dass allen anderen das Lachen schnell verging. Die Rennen waren von Start bis Ziel ein unentwegter Kampf um etwas Windschatten im Grenzgebiet zwischen Straßenkante und dem Beginn der unendlichen Weite der Wüste. Wir konnten alle nur zu sehen wie die Marokkaner ihren Zug aufbauten und Stück für Stück selbst die Windkante erprobten Holländer zermürbten. Keine einfachen Bedingungen, um sich bei den ersten Rennen als neues Team zu finden. Mit viel Einsatz gelang es uns Yannick Mayer jeden Tag in eine vordere Gruppe zu platzieren, was er in allen drei Rennen mit einem Top 20 Rang abschließen konnte. Auch Daniel Bichlmann konnte mit Platz 13 beim ersten Rennen ebenfalls einen vorderen Platz einfahren. 
 
Die Politik: Marokko ist eine Monarchie, eine recht stabile und im großen und ganzen sind die Marokkaner mit ihrem König zufrieden. Ein ehemaliger saarländischer Rennfahrer arbeitet derzeit in Marokko als Ingenieur und er wollte uns bei den Rennen besuchen und als Betreuer unterstützen. Aber dieses Vorhaben und die daraus folgenden Umstände zeigte, dass hier doch vieles anders ist. Aber sei´s drum, oder wie die Marokkaner sagen: „In sch??'a ll??h“. Wir belassen es bei der Anekdote, dass ein Zuckerwürfel in Marokko das achtfache Volumen eines deutschen Zuckerwürfels hat, davon aber zwei Stück in einen Tee kommen, den Rest der Geschichte behalten wir für uns. Die Rennen trugen den Namen „Les Challenges de la Marche Verte“, wer sich damit näher beschäftig merkt schnell, dass wir da mit unserem Radsport mitten in einem politischen und zumindest ruhenden militärischen Konflikt gelandet sind. Als wir in El Aaiún von einer Redakteurin der Deutschen Welle interviewt werden, die eine Reportage über die aktuelle Lage machte, bemerken wir das wir doch etwas mehr nachdenken sollten wo wir da sind. Begegnungen mit der Zivilpolizei, Polizeikontrollen an jedem Ortseingang, UN Jeeps und eine übermäßige Militärpräsenz, alles irgendwie Anzeichen dafür, dass die Reisehinweise des Auswärtigen Amtes doch nicht ganz unbegründet sein könnten. Aber unsere Vorurteile und Befürchtungen erhalten dann doch eine ordentliche Lehrstunde. Trotz den Aufständen des Arabischen Frühlings oder unserer Skepsis gegenüber der Kultur des Islams, die das Bild über Nordafrika in unseren Medien prägen: Wir haben dort eine zwar ungewöhnliche aber gute Zeit. Dagegen bekommt einer unserer Teamfahrer einen Anruf der Polizei: Sein Auto, was er im friedlichen Luxemburg bei der Anreise zum Flughafen geparkt hatte, wurde in Brand gesteckt und abgefackelt. Warum, von wem?  In sch??'a ll??h!