Weiter geht unsere Reise auf der Suche nach dem schönsten Namen eines Fahrradrennens. Die Rundfahrt „Vuelta Independencia Nacional Republica Dominicana“ klingt so schön wie die Erwartungen an diese karibische Urlaubsinsel. Aber Urlaubsträume und Realität können weit auseinanderliegen. Genauso wie das Gefühl von All Inclusive Strandurlaub und Radrennen über 200km bei tropischen Bedingungen.
Als wir nach einem langen Flug, der uns über New York führte, nach rund 16 Stunden Reise in der Hauptstadt Santo Domingo landen, ist es dort bereits mitten in der Nacht. Santo Domingo ist nicht gerade klein, hat so rund 3 Millionen Einwohner und unser Hotel liegt auf der anderen Seite der Stadt. Anstelle von Karibik-Feeling wirren wir todmüde fast 2 Stunden durch den Verkehr und erreichen um 3 Uhr Ortszeit unser Quartier. Es liegen ja „nur“ 8 Etappen und rund 1200 Rennkilometer vor uns und es bleibt ein Tag, um die Reisestrapazen abzuschütteln.
Nach kurzer Nacht weckt uns die ungewohnte Hitze, die Luftfeuchtigkeit ist hoch und unser Kreislauf hat Stress. Aber es macht dennoch riesigen Spaß, den Strand zu erkunden und sich mit den freundlichen Mango- und Kokosnussverkäufern vor Ort zu unterhalten und deren Angebot zu probieren. Für einen Moment fühlen wir uns wie Urlauber, wissen aber was uns am nächsten Tag erwartet. Die Anfahrt zum Start der ersten Etappe wird zu einer Art Pfadfinderprüfung, was auch in den kommenden Tagen so bleiben sollte. Die Angaben wo der Start zu finden wäre, waren immer sehr vage. Ist ja kein Problem sich ohne Ortskenntnisse mit dem Rad durch einen Millionenmetropole zu schlagen, gut 20km zum Start und nach dem Rennen 20km zurück zum Hotel. Die 200km Radrennen dazwischen bei glühender Mittagshitze, geschenkt. So sollte es tagein tagaus doch sehr anstrengend werden. Jedoch wurden wir immer wieder von einer tollen Kulisse entschädigt: Palmen, Meer auch wunderbare Berglandschaften zierten den Weg. Zwischendurch eine warme Dusche in Form eines Sommerregens, der aber auch wirklich guttat. Wie unterschiedlich Empfindungen eben sein können, wenn man sich vorstellt, wie ungerne man Regen in der Heimat hat.
Sportlich hatten wir uns einiges vorgenommen, hatten unsere Teamkollegen in Afrika doch schon gut vorgelegt. Gleich am ersten Tag schaffte es unser Neuzugang und Youngster Joschka Beck das Trikot des Führenden in der Nachwuchswertung zu erringen. Ganze 4 Tage konnte er es tragen, bis er genau so viel Zeit auf der Kloschüssel, wie auf dem Sattel zubringen musste. Joschka verlor auf der vierten Etappe recht entkräftet viel Zeit in der Gesamtwertung. Derweil befand sich sein Teamkollege Yannick Mayer in einer Spitzengruppe, unter anderem mit 3 Fahrern des amerikanischen Top Teams SmartStop und 2 Kolumbianern von EPM-UNE. In dieser Kombination hätte sicherlich niemand auf den deutschen Unbekannten gewettet. Aber Yannick bringt im Sprint sicher mehr Newtonmeter auf´s Pedal, als die untergewichtigen Kolumbianer. Letztes Jahr hatten ihm diese Jungs bei der Vuelta a Colombia, mit ihren überirdischen Kletterkünsten in den Anden, unendliche Schmerzen bereitet. Jetzt hatte er die Chance auf Wiedergutmachung. Er nutzte sie, gewann die Etappe und konnte sich und dem Team BIKE AID damit den ersten Saisonsieg schenken.
Was karibische Leidenschaft der Zuschauer bedeutet, sollten wir am folgenden Tag erfahren dürfen. Es galt auf der Königsetappe einen 12 Kilometer langen Berg mit rund 10 % Steigung zu erklimmen. Wirklich steil war dieser Anstieg und so hatte der einheimische Mopedclub (kurz: Domoclub für dominikanischer club für Motociped) sehr viel Mitleid und entsendete eine Hilfsfraktion von gut 25 Fahrern aus, um den einheimischen Radrennfahrern kurzerhand als Lift zu dienen. Skurril mit anzuschauen, nur die Kolumbianer rund um den Mann in Gelb fanden das eben nicht so lustig. So kam es dazu, dass die Etappe kurz vor dem Ziel abgebrochen wurde, womit nicht alle einverstanden waren. Der Chefkommissär sorgte letztlich für Fakten, in dem er einfach davon fuhr, womit eine Fortsetzung des Rennens unmöglich war. Den wilden Haufen ließ er einfach in einem Bergdorf zurück, so dass sich die Königsetappe am Ende zu einem Ereignis mit Klassenfahrtcharakter entwickelte.
Als wir am achten Tag mit vollständiger Mannschaft die Schlussetappe antreten können, sind wir euphorisch. Jeder ist noch mal motiviert alles zu geben, vielleicht noch mal die Chance auf ein gutes Ergebnis zu bekommen. Erneut schafft es ein BIKE AID Fahrer in einer Spitzengruppe auf die Zielgerade einzubiegen, doch die Konkurrenz ist wachsam. Unser Kanadier Jacob Schwingboth sprintet immerhin auf Platz 3 der Etappe. Auch ohne Sieg ein perfekter Abschluss für unsere Karibikreise.