Es ist Ende März und die, aus dem zweiten Weltkrieg international bekannte, Region empfängt das Team mit knappen 20 Grad, Sonnenschein und keinem einzigen Tropfen Regen. Ein Wunder, wie langjährige Fans und Organisatoren des Rennens erzählen. In den Vorjahren gab es meist Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt und kaum eine Etappe ohne Regen. Aufgrund von Schnee musste die vorletzte Edition fast abgesagt werden. Die äußerst gute Laune der Fans und Interessenten ist alleine schon wegen des Wetters nachvollziehbar.
Gerade an der ersten Etappe in Ouistreham angekommen und schon tummeln sich Fans um die Fahrer und Räder von BIKE AID. Das Radsportfieber und außergewöhnliche Interesse ist hautnah spürbar. Es hagelt Fragen zum Rahmen und den Laufrädern, Fahrer verteilen eine Unterschrift nach der anderen und der Andrang scheint kein Ende zu nehmen. Das Team ist begeistert, solch eine Atmosphäre finden sie einfach nur klasse!
Dass der Radsport in Frankreich historisch ist, lässt sich schnell erkennen. Der Großteil der Fans in der Village du Tour ist bereits im Rentenalter. Fit sind viele von ihnen trotzdem. Sie berichten, wie sie sich schon vor Stunden mit dem Rennrad auf den Weg gemacht haben, um den Start der Etappe zu sehen. Weiter erzählen sie euphorisch über Erfolge aus ihrer eigenen Profizeit, gegen welche Legenden sie schon gesprintet sind und wie froh sie über das steigende Interesse in der Gesellschaft an diesem Sport sind.
Die so schon sehr schönen Städte und Dörfer, die die Tour de Normandie durchquert, zeigen sich zur 40. Ausgabe des Rennens von ihrer besten Seite. Bunte Deko, Blumen, Rennräder und Trikots in den Schaufenstern der Geschäfte zeigen die Wichtigkeit und Begeisterung für den Radsport.
Trotz relativ flacher Etappen reist das Team BIKE AID mit starken Bergfahrern an. Wesley Mol und Jesse Ewart bewiesen erst kürzlich in Rwanda und Julian Lino bei der Tour of Antalya, was sie können. Die Anstiege bei der Tour de Normandie waren für sie leider zu kurz, um ihre Stärke voll ausspielen zu können. In der fünften Etappe und der damit hügeligsten, gelang es ihnen jedoch direkt am ersten Anstieg das Tempo so hoch zu halten, dass sich das Feld teilte. Der Plan ging auf und Jesse Ewart verbrachte den ganzen Tag in der Ausreißergruppe. Zwei Kilometer vor dem Ziel wurde die Gruppe jedoch wieder eingeholt.
Der frischgebackene Abiturient Enzo Decker musste leider während der zweiten Etappe aus dem Rennen aussteigen. Starke Magenprobleme machten ihm zu schaffen. Gekonnt massierte er von nun an die Fahrer und gab von der Seite Flaschen. Das ist Teamspirit!
Jesse de Rooij fuhr nach knapp einem Jahr Verletzungspause sein erstes Rennen mit dem Team. Vor sieben Tagen Rundfahrt scheute er sich nicht. Er zeigte, dass er auch nach langer Auszeit gut im Peloton mithalten kann. Die Saison hat nun auch für ihn begonnen und die Vorfreude auf die nächsten Rennen ist hoch!
Léo Bouvier zeigte besonders im Leadout bei der letztjährigen Tour of Thailand welch Qualitäten er im Sprint hat. In der Normandie war er nun der Sprinter des Teams und zeigte auch direkt auf der zweiten Etappe wieso. Mehr als 300 Meter All Out reichten an diesem Tag für Platz 6. Eine starke Vorstellung des Franzosen. Ein Black Out am ersten Anstieg der fünften Etappe sollte jedoch sein Aus bedeuten. Plötzlich fand er sich hinter dem Feld, mit nur zwei weiteren Fahrern, wieder. Diese wollte nicht mit ihm zusammenarbeiten und Léo entschloss sich ihnen davon zu fahren. Die nächsten 150 Kilometer und knapp 2000 Höhenmeter fuhr er Solo. Eine beachtliche Leistung, besonders mental! Leider fiel er jedoch an diesem Tag aus dem Zeitlimit. BIKE AID war von nun an nur noch mit vier Fahrern unterwegs.
Auch wenn sportlich etwas mehr erhofft wurde, kann sich das Team mit der Performance bei der Tour de Normandie zufrieden geben. Taktiken wurden gut umgesetzt und die Fahrer bewiesen starken Charakter. Zudem zeigt die Mannschaftswertung, dass die Zusammensetzung aus neuen und alten Fahrern absolut konkurrenzfähig ist.
Weiter kann sich glücklich geschätzt werden, dass BIKE AID ohne große Stürze und Verletzungen davon gekommen ist. Die vielen Devo-Teams zeigten eine hohe Risikobereitschaft, um den großen Teams um jeden Preis zu zeigen, was sie können. Die riskante Fahrweise führte oft zu einem nervösen Feld und Stürzen. Gleichzeitig belohnte sie dies jedoch nicht selten mit Podiumsplätzen.
Das Team reist, mitgerissen von der französischen Radsporteuphorie, ab. Die Zuversicht, positive Stimmung und Freude für die nächsten Rennen der Saison ist spürbar!