Im Aufgebot Marius Prünte, Karsten Keunecke, Thorsten Resch, Timo Schäfer, Matthias Schnapka und Neuzugang Richard Stockhausen. Betreuer: Lutz Drehkopf, Chantalle Breyer und Désirée Schuler. Wir flogen nach Targu Mures, Ortsname zuvor nie gehört. Beim verlassen des Flugzeuges rannten wir gegen eine Hitzemauer. Knapp 40 Grad, so sollte es auch die nächsten Tage bleiben. Der Veranstalter holte uns mit einem Bus ab und brachte uns in das 165 km entfernte Sibiu, auch Hermannstadt genannt. 165 Km, kleiner Transfer? Auf rumänischen Straßen bedeutet das 3 Stunden Fahrzeit. Dafür ausgiebig Zeit sich von der urigen Landschaft beeindrucken zu lassen.
In Sibiu angekommen rollten wir Abends, bei einsetzender Dunkelheit, mit den Rädern durch die Stadt und ließen uns in einem der zahlreichen Cafés nieder. Und so wie uns zuvor die Landschaft beeindruckte, übertraf auch die Stadt unsere Erwartungen. Fußgängerzone und Markplatz waren gesäumt von aufwendig renovierten barocken Prachtbauten. Dazwischen ließen es sich die Einheimischen und Touristen sichtlich gut gehen. Es herrschte angenehme, entspannte Stimmung, vielleicht vergleichbar mit einem Sommerabend in der südlichen Toskana.
Mit dem Entspannen war es für uns dann schnell vorbei. Tag 1 des Rennens war zwar von der Distanz keine Herausforderung. Wir durften vor allem weiterhin das tolle Flair der Innenstadt genießen. 2,4km mit 20 Kurven kreuz und quer über und um den Marktplatz; so gestallte sich der Prolog. Dies bedeutete vor allem Fahrkönnen. Wir glaubten dieses zu besitzen, müssen wir doch bei deutschen Kriterien ebenfalls schnell um die Ecken flitzen. Unser Sprinter Marius Prünte sollte da eigentlich gute Karten auf eine schnelle Zeit haben. Aber er suchte bereits beim warmfahren den Bodenkontakt. Und gemäß der Psychologie des Lernens war sein Unterbewusstsein auch im Rennen in der Lage das Gelernte zu wiederholen. Wir benannten die Stelle intern schnell als „Prünte S“ und gaben den weiteren Fahrerin die Instruktion dort besonders vorsichtig zu sein. Als dann aber auch Karsten Keunecke den Taten von Marius folgte, war es an der Zeit, beim Katasteramt darum zu bitten das „Prünte S“ offiziell in den Stadtplan aufzunehmen. Oder anders Formuliert: Bereits nach 2,4 Rennkilometer hatten wir zerrissene und blutige Trikots und einiges zerstörtes Material, boten den Zuschauern allerdings eine gute Show.
Am nächsten Tag betrug die Renndistanz das 77fache des Vortages. Macht 185 km bei brütender Hitze mit einer abschließenden Hors Catégorie Bergankunft über 14km hinauf in das Skigebiet Paltinis in den Karpaten. In manchen Ortsdurchfahrten sorgte geschmolzener Teer dafür, dass die Zuschauer die Fahrer in Zeitlupe etwas länger zu sehen bekamen. Durch die Hitze war der Teer teilweise so weich, das man das Gefühl hatte, es hielt uns jemand an der Sattelstütze fest. Etwas übermütig wagte sich Matthias Schnapka in die Spitzengruppe und musste dort rund 100 km ausharren, bis er völlig dehydriert was zu trinken bekam. Damit waren erstmal alle Lebenskräfte entschwunden, was ihn zu der Glanzleistung veranlasste mit der Spitzengruppe den Fuß des Schlussanstieges zu erreichen und dann mit einer Stunde Rückstand, als letzter des Rennens, kurz vor einsetzender Bewusstlosigkeit das Ziel.
Das Kapitel Stockhausen: Ein junger bayrischer Physikstudent, der mit seinem 4. Platz mit 5 Sekunden Rückstand aufs Podium bei den deutschen Meisterschaften im Einzelzeitfahren 2011 in Neuwied für eine Sensation sorgte und die Profis schockierte, was ihm allerhand Medienpräsenz, bis hin zu Interviews in der Süddeutschen und in Eurosport, einbrachte. Nach einem kleinen Abstecher in Italien ist dieser Kerl im Saarland bei BIKE-AID gelandet. Warum weshalb? Egal, bereits nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass dieser sympathische, etwas chaotische Typ (was anderes darf man von einem Physikstudent nicht erwarten) für viel Unterhaltung im Team sorgt und bestens zu uns passt. Und so ganz nebenbei kann er halt richtig schnell Radfahren. Als Matthias bereits nur noch Sternchen sah, flog Richard den Schlussanstieg hinauf und sorgte mit Platz 14 für ein wirklich hervorragendes Ergebnis.
So kann es beim Mannschaftszeitfahren weitergehen dachten wir. Aber kurz vorm Start gab es etwas durcheinander zur Auslegung des Reglement. Ohne Klarheit gingen wir an den Start, ließen aufgrund des Tempodiktats von Richard unseren Sprinter bergauf zurück und wurden dafür im Ziel eines besseren belehrt. Für die Zeitnahme zählte der 5., nicht der 4. Fahrer. Demnach war all unsere Anstrengung umsonst. Abhacken. Denn die nächste Etappe forderte mit einem weiteren Hors Catégorie Schlussanstieg all unsere Kräfte. Der Anstieg: 13,8 km hinauf auf über 2.000m zum Balea Lac in den Karpaten. Solche Sahnestücker findet man meist nur in den großen Rennen wie der Tour de France. Grandiose Hochgebirgslandschaft und Liveübertragung im rumänischen Fernsehen. In der Spitze lieferten sich die besten Fahrer den Kampf um Tagessieg und Gesamtwertung. Und das beste daran: Das BIKE-AID Trikot ganz vorne mit dabei. Richard konnte bis 3,5km vor dem Ziel die Spitze halten und verlor mit Platz 14 anschließend nur 1,28min auf den Sieger Martin Haring. Richard verausgabte sich so sehr, dass er für die Unterhaltung des Tages sorgte. Er war nicht mehr in der Lage gerade aus zu fahren und verlor bei der Zieleinfahrt die Kontrolle über sich und sein Rad (
Siehe Video 2). So prallte er wenige Zentimeter hinter dem Ziellinie gegen den Zielbogen und zu Füßen der Kommissäre. Die Kommentatoren der Liveübertragung erfreuten sich einige Minuten in zahlreichen Wiederholungen an der Szene. Richard selbst wusste später nicht mehr genau, ob er überhaupt die Ziellinie überquert hatte.
Die letzte Etappe beinhaltete 5 Bergwertungen und ging über 148km durch das Umland von Sibiu. Die letzte Chance auf einen Etappensieg sorgte für einen 50er Schnitt in der ersten Rennstunde. Danach legte sich das Tempo etwas, aber die Hitze und Anstiege waren auch so eine Qual. Das Finale der Etappe war dann wiederum sehr hektisch und – trotz dass eine 4-Mann Gruppe ankam – sehr umkämpft. Wir versuchten uns auch vorne zu positionieren, verloren aber bei der Einfahrt nach Sibiu den Überblick und konnten wenig ausrichten.
Endlich geschafft, dachten nach Zielankunft alle. 5 Etappen in Hitze, teils mit Hochgebirgsetappen. Eine sportliche Herausforderung, aber auch ein Erlebnis, dass für viele bleibt. Nicht nur wegen der mehr als gelungenen Veranstaltung und Organisation, sondern auch die Umgebung, die Stadt und die Stimmung im Team trugen zu dem Gelingen dieser Reise bei. So bleibt für alle der wunderbare Eindruck und die Gastfreundlichkeit der Rumänen in Erinnerung, sowie eine Stadt, die jede Reise wert ist.