Auf der Heimfahrt vom Gravel One Fifty Rennen im Juli fand ich heraus, dass ich mich mit meinem 32. Platz für die Teilnahme an der Gravel Weltmeisterschaft in Italien qualifiziert hatte! Nach zwei erfolglosen Versuchen in Aachen und Millau (FRA) war ich begeistert, dass es nun geklappt hat. Die Qualifikation und Teilnahme ist für mich ein absoluter Meilenstein in meiner jungen „Radsportkarriere“, die erst vor drei Jahren begann. Damals kündigte ich meine Anstellung in einem Holzbrillen Start-Up, um so zu trainieren, als ginge es um etwas. Und das mit bereits 33 Jahren, spannend.
Nun also Italien, Radrennen auf Schotter mit breiten Reifen gegen World Tour Profis und die ambitioniertesten Amateure und Elitefahrer*Innen der Welt, geil! Dabei habe ich in meinem Leben noch kein Radrennen gewonnen, geschweige denn fast.
Meine Reise mit BIKE AID hat mit einem Beckenbruch im Training im Sommer 2022 angefangen. Bis die Form wieder da war, war es November und außer Cyclocross gab es keine Rennen mehr. Ich wollte aber unbedingt Rennen fahren, also bin ich mit 33mm breiten Reifen nach Rheinzabern gefahren, um mich 60 Minuten lang richtig zu blamieren. Das hat auch Matthias Schnapka gut gefallen, den ich dort kennenlernte. Nur wenige Wochen später saß ich mit ihm bei der Volta Ao Alentejo im Auto und fuhr mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über portugiesische Landstraßen, während wir das BIKE AID Gravel Projekt in die Wege leiteten, dass dann in Aachen seinen Kick-Off feierte.
Ok, Aachen, CX, Portugal und breite Reifen, aber wie wars denn in Italien? Geht so. Die Weltmeisterschaft versprach, anhand der Eckdaten schon super hart zu werden. Es galt 167 Kilometer und 1.800 Höhenmeter rund um die Prosecco-Hills bei Treviso zu bewältigen. Papas Campingbus also drei Tage vorher mit Blick Richtung Alpen geparkt, getankt und Abfahrt. Erstmal Kettenriss beim Recon, weil ich unnötigerweise eine Kette mit Insert-Pin statt Quick-Link montiert habe. Als das passierte, habe ich schon die flache Hand meines ehemaligen Meisters in der Radwerkstatt, in der ich mal gearbeitet habe, im Nacken gespürt - sorry Christian!
So eine Kette kann man ja ersetzen und ein Fahrrad reparieren, aber wenn nach vier Stunden die Beine nicht mehr wollen, dann stehst du da, sprichwörtlich. Der Start verlief ok. Es wurde gedrängelt und geschoben, aber es ging sportlich zu. Direkt nach dem Start konnte ich nach vorne fahren und hatte einen guten Blick auf das Rennen und die Spitze, das letzte Mal an diesem Tag. Auf dem ersten staubigen Stück war ich etwas zu weit hinten und konnte vor lauter Staub keine zehn Meter weit sehen. Steine flogen durch die Gegend und einer traf mein Vorderrad, bzw. meine Bremsscheibe, die daraufhin anfing zu schleifen. Ich hab es versucht zu ignorieren, aber nach einem Kilometer hielt ich kurz an und versuchte die Scheibe zurechtzubiegen, hat geklappt, aber die Spitze war weg.
Und dann? Eine krasse Aufholjagd mit Springen von Gruppe zu Gruppe? Neeee, eher nicht. Mit anderen abgehängten Fahrern fuhr ich schnell, aber langsam über den Kurs. Bei der ersten Ortsdurchfahrt durch Pieve di Soligo (KM 42) war ich noch frisch und konnte Tempo fahren. Die steilen Anstiege vor dem Lago di Santa Maria gingen auch noch mit ordentlich Kraft, aber schon wenige Kilometer später, hoch nach Nogarolo, hat es mich richtig aufgestellt. Die Rampen waren so steil, dass ich die Kurbel mit 34x30 kaum rumgekriegt habe und oben angekommen war von meiner Gruppe nicht mehr viel zu sehen.
Zurück in Pieve di Soligo, diesmal allein und schon angezählt, fuhr ich nach dreieinhalb Stunden und 92 Kilometern auf der Uhr, auf einen Fahrer aus UK auf, der mich ans Hinterrad nahm und zuverlässig schnell von vorne durch den langen und flachen Teil der Strecke fuhr. Anderthalb Stunden und 45 Kilometer später trennten sich unsere Wege in den Prosecco-Hills von Col San Matino. Keine 300 Watt gingen mehr bergauf, was ich auch versuchte, nichts half. Absteigen und schieben war angesagt, was bei den steilen Rampen auch schon anspruchsvoll genug war, aber Renntempo, keine Chance.
Dass die Nummer mit einer guten Platzierung schon früher durch war, wusste ich, aber dass dann auf einmal nichts mehr lief und ich fast rückwärts fuhr, wollte ich nicht wahrhaben. Die Strecke war unterdessen wieder für den Autoverkehr freigegeben, was es ein bisschen schwieriger machte, schnell auf dem Kurs zu bleiben. In einer Abfahrt fuhr ich fast in einen Abschleppwagen, Zeit für eine erste Konsequenzanalyse. Als mir nach etwa 5:20 Stunden Fans mit Rennwegweisern als Souvenir entgegen kamen, immer mehr Autos fuhren und die anspruchsvollsten Rampen noch zu kommen drohten, entschied ich mich das Rad abzustellen. DNF bei der Weltmeisterschaft. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Ich dachte, ich könnte gewinnen, aber manchmal läuft es nicht. Zusammen mit einem Jungen aus Irland, der sich verfahren hatte und den Weg zum Start nicht fand, navigierte ich uns mit meinem SIGMA ROX souverän zurück nach Pieve di Soligo.
Was bleibt, ist das unglaublich schöne Gefühl, sich qualifiziert zu haben und dabei gewesen zu sein. Die Erinnerung an eine schöne Zeit mit neuen und alten Freunden und dem Team- und Sportsgeist um mich herum unter allen BIKE AID Fahrer*Innen.
Von Stefan Brencher