Wenn man nur wenige Tage Zeit zum Biken hat, dann legt man am besten gleich nach der Ankunft richtig los. Wir heben uns das Einchecken in unserem Bikehotel Palü für nach der ersten Tour auf und reisen direkt zur Bernina-Passhöhe an. Gehe nicht ins Hotel und auch nicht ins Gefängnis - sondern direkt auf die Trails!
Wie immer erleben wir eine tolle Abfahrt über alte Karrenwege bis hinab ins Puschlav-Tal. Wie immer allerdings werden uns auch die Steinplatten der Wasserrinnen zum Verhängnis und kosten uns Nerven und Schläuche.
Man glaubt es kaum, aber wir haben noch niemals in einer grösseren Gruppe diese Strecke ohne Plattfüsse gemeistert. Diesmal durfte Hans-Jürgen dran glauben - und weil zudem noch die Steckachse ihren Namen zu wörtlich nimmt und feststeckt, ist die Tour für ihn genau an dieser Stelle zu Ende und er nimmt die Fussbahn hinab ins Tal durch malerische Lärchenwälder.
Wir sitzen derweil schon auf der Piazza, und lassen uns die Sonne auf den Bikerpelz brennen. Die rhätische Bahn bringt uns wieder zurück zur Bernina-Passhöhe und von dort geht es im wilden Ritt über die Trails bis direkt an unser Hotel. Und der Tag ist immer noch nicht gut Freund mit unserem Hans-Jürgen. Er findet seine Fahrkarte nicht und muss - obwohl eindeutig unserer Gruppe zugehörig, im Zug erneut ein Ticket für sich und sein Bike lösen. Auch in der Schweiz gibt es Schaffner die sich sehr "deutsch" verhalten. Das haben wir mehrmals schon anders erlebt!
Leider behält der Wetterbericht auf erschreckende Weise recht. Die Temperatur stürzt ab und mit ihr das Wasser vom Himmel. Zum Glück gibt es im Engadin genügend Ausweichprogramm. Heute machen wir reichlich Gebrauch von der Gastronomie und enden auf der Alp Grüm. Dort ist heute zwar nix mit Fernsicht - dafür aber schmeckt der Bündnderteller besser denn je.
Die Königstour steht auf dem Programm. 80km mit mehr als 2.000 Höhenmetern in meist hochalpinem Gelände. Eigentlich also eine richtige Alpencross-Etappe mit allem Zick und Zack.
Ein 2-stündige Fahrt bringt uns zum Einstieg der Tour knapp unterhalb der Passhöhe des Stilfser Jochs auf 2.600m Höhe. Hier hat es am Vortag nicht geregnet. Es hat geschneit. Als wir aus dem Shuttle-Bus aussteigen schlagen uns winterliche Temperaturen bei schönstem Wetter entgegen.
Der erste Teil der Strecke ist wild und spektakulär. Wir kämpfen uns kilometerlang an schneebedeckten und teilweise matschigen Bergflanken entlang - immer zwischen 2.600 und 3.000 Metern Höhe. Die dünne Luft macht dem ein oder anderen ein wenig Stress. Dafür gehört die Bocchetta-Abfahrt hinunter zu den grossen Stauseen zu den spektakulärsten Tiefblicken die in den Alpen zu haben sind.
Jetzt heisst es Augen auf und Hirn einschalten. Wir hier abstürzt, der stürzt im Leben nie mehr.
Silkes Kurbelgarnitur nimmt die Abfahrt etwas zu locker und verabschiedet sich vom Bike. Zum Glück haben wir ordentliche Handwerker dabei, die filigrane Schraubarbeit selbst mit klammen Fingern in widrigen Gelände stemmen.
80 KIlometer und über 2.000 Höhenmeter in hochalpinem Gelände sind eine heftige Ansage. Wir beschliessen, die Gruppe zu teilen. Ein Teil der Gruppe kürzt über Livigno ab - und wir staunen nicht schlecht, dass es problemlos gelingt 7 Biker mitsamt Bikes per Linienbus zu befördern. Die ganz Region ist im Sommer bestens für Biker gerüstet und jeder Bus hat Lademöglichkeiten für mindestens 6 Bikes. Der Linienbus bringt uns zur Bernina Passhöhe. Von dort haben wir noch 12km feinsten Flowtrail vor uns. Nach fast 10 Stunden auf dem Bike sind wir ziemlich platt und schaffen es gerade noch an die Bar ...
An diesem Tag ist niemand mehr alt geworden. Auf wundersame Weise war die Gruppe direkt nach dem Abendessen verschwunden.
Heute werden die lokalen Trails gerockt. In Celerina steigen wir in die Kabinenbahn, welche, ebenfalls problemlos, Biker befördern kann. Am Piz Nair wurden in den letzten Jahren mehrere Trails aufwändig und extra für Biker angelegt. Es gibt hunderte von Steilkurven, Anlegern, Sprüngen und Wellen und hinter jeder Kurve gibt es neue Panoramen. Wir fahren uns einige Runden ganz schwindlig bis zu einer Kaffeepause, die wir auf 3.100 Metern Höhe, mit grandioser Aussicht auf dem Piz Nair verbringen.
Als Abschluss unseres Trailcamps gibt es jetzt noch ein letztes Highlight: Die Abfahrt aus 3.100 Metern durch das Val Bever bis nach Samedan. Die meisten von uns kennen die Strecke mit all ihren Tücken und Schikanen - und so unterbiten wir die für Biker angegebene Zeit mal eben locker um mehr als eine Stunde.
DIe ganze Gruppe kommt entspannt und mit einem breiten Grinsen in Bever an. Keine Verluste an Mensch und Material, alle glücklich! So muss ein Trail-Wochenende aussehen. Ein letztes gmeinsames Mittagessen beim Italiener im historischen Bahnhof von Bever und wir treten gegen 17:00 die Heimreise an.
Das hat wirklich Laune gemacht - vier Tage in toller Umgebung, guter Gesellschaft und mit bester Stimung. Danke an alle Teilnehmer und das grossartige Team vom Hotel Palü!
Bis bald - zum nächsten Trailcamp!
Ride and smile,
euer Eric