Bikeabenteuer auf dem Stoneman-Trail und erste Klettersteig-Erfahrungen im Dolomitenfels
Die Dolomiten – laut Reinhold Messner das schönste Gebirge auf diesem Planeten. Diesen Ausspruch habe ich 2010 live auf einem Vortrag in Saarbrücken gehört.
Durch Teile der Dolomiten war ich auf einigen Alpencross-Touren schon gekommen und ja – schön war es da! Diesmal wollten wir in das Herz der Dolomiten vorstoßen – zu den Drei Zinnen und in die Sextner Dolomiten um den Ausspruch des prominentesten Menschen der Dolomiten unter – Bildbeweis – zu stellen.
Mit dem Mountainbike kommen wir zwar – fast – überall hin. Um aber auch von ganz oben auf die Dolomiten zu blicken, war es auch notwendig, das Bike im Tal zu lassen und per Klettersteig auf einige Spitzen der Dolomiten zu steigen.
Ursprünglich wollten wir mit den Bikes die Drei Zinnen umrunden, aber hier herrscht mittlerweile ein strenges Bikeverbot. Lediglich bis zur Lavaredo-Hütte konnten wir mit den Bikes fahren. Von dort sind nur noch Wanderstiefel erlaubt und Stollenreifen verboten!
Es wäre auch kein Vergnügen geworden, denn Anfang August beherrschen die Schulferien das Freizeitangebot. Entsprechend viele Menschen sind an den Hotspots der Alpen unterwegs. Und der Gebirgsstock der Drei Zinnen ist einer dieser Hotspots.
Statt der Bikeumrundung wählten wir einen C-Klettersteig am Paternkofel direkt gegenüber den Drei Zinnen. Mein zweiter Klettersteig nach einigen Stunden in der Kletterhalle und zwei Klettererfahrungen in den Felsen der Nordvogesen und der Pfalz sowie einem Klettersteig in den Pyrenäen.
Dennis hatte hier schon mehr Erfahrung, einschließlich einer Kletterausbildung als Erlebnis-Pädagoge und war sicher, dass ein C-Klettersteig für mich kein unüberwindbares Hindernis darstellt (C = mittlerer Schwierigkeitsgrad – E ist die schwerste Klassifizierung). Der Einstieg in diesen Klettersteig führte uns erstmal nicht an den Fels, sondern in den Fels hinein.
Da die Dolomiten im ersten Weltkrieg mitten in der Frontlinie zwischen der Habsburger Kaiserdynastie und den Italienern lag, wurden Nachschubwege zur Front oft in den Fels gesprengt. Denn nur hier waren die Nachschublinien vor Beschuss sicher. Unglaublich, wie sich die Soldaten in dem vier Jahre währenden Krieg in den Fels einbuddelten.
Heute werden diese Stollen durch die Dolomiten, dort wo es passt, in Klettersteige integriert. Also Lampe an und Helm auf, den ohne diesen hätte es einige schmerzhafte Kopfnüsse und Löcher in der Birne gegeben. Wer mehr auf den Weg unter seinen Füssen achtet, vergisst manchmal auch nach oben zu schauen. Teilweise sind die Stollen so eng und niedrig, dass wir wie Käfer auf allen Vieren durch die Stollen krabbeln mussten.
Dieser Klettersteig gegenüber der Drei Zinnen ist sicher einer der spektakulärsten in den Dolomiten. Auf dem Gipfel des Paternkofel erleben wir traumhafte Ausblicke auf die Drei Zinnen und die umgebenden Dolomiten-Gipfel. Ein Highlight par exellence!
Am nächsten Tag kommen unsere Bikes zum Hardcore-Einsatz. Wir wollen den Stoneman-Trail in den Sextner Dolomiten erfahren und bewältigen. Zwei Tage für ca. 4200 Höhenmeter durch scharfkantiges und steiles Dolomitengestein.
Von Toblach aus führt uns der Stoneman-Trail bergauf auf die auf 2545 m Höhe gelegenen Funkstationen von Marchkinkele, die seit langem verlassen sind und verfallen. Die steilen Dolomiten-Trails fordern richtig Körner. Auf der anderen Seite sind die Anstrengungen aber auch wirklich lohnenswert, den die Hochgebirgslandschaft bietet eine traumhaften Trail hinunter ins Tal nach Winnebach.
Die Abfahrt erfordert ausdauernde Bremsbereitschaft und jede Menge Aufmerksamkeit. Die Trails sind schmal und steil – die Kurven teilweise sehr eng. Nach ca. einer Stunde treffen wir auf drei erschöpfte Biker an einer kleine Hütte, die dort gerade Siesta feiern. Wir sind auch etwas alle, unsere Konzentration lässt langsam nach und eine Pause tut dringend Not!
Wir gönnen uns auch dreißig Minuten und führen ein paar angenehme Gespräche. Dann geht es weiter nach Winnebach auf 1131 Meter. Kleine Pause mit Spaghettieis und einer großen Apfelschorle. Dann der Aufstieg zur Leckfeldalmhütte. Ca. 8 km mit einer durchschnittlichen Steigung von 10 Prozent. Eigentlich kein Problem, wäre da nicht der grobschottrige Untergrund und einige steilere Rampen und die warmen Temperaturen. Die Steigung kommt uns viel steiler vor. Irgendwann sind wir so langsam, das wir als willkommene Opfer für die zahlreichen Bremsen dieses Gebirgswaldes auserkoren werden. Die treiben uns nach oben – jeden Meter gefahren aber dafür richtig fertig. Das Radler in der Hütte schmeckt besser als irgendetwas auf diesem Planeten.
Wir haben ziemlich genau 2100 Höhenmeter bewältigt und für die nächsten 550 Höhenmeter auf die Sillianerhütte ist es schon zu spät und zumindest ich auch zu fertig. Auf der Hütte treffen wir zwei nette Wanderinnen aus Pforzheim und einen Biker aus München – eine nette Paarung.
Eine warme Dusche, ein hervorragendes Essen und eine eigene Hütte als Schlafstatt im Wald tun ein übriges. Wir sind rundum glücklich über diese Übernachtungswahl. Am nächsten Morgen stärkt uns ein gutes Frühstück für die nächste Herausforderung.
Die Steilheit der nun kommenden 550 Höhenmeter zur Sillianerhütte auf 2447 Metern Höhe ist unbeschreiblich. An sich gerade noch fahrbar, aber mit diesem Gestein, das nun immer grober wird, lässt die Traktion doch sehr zu wünschen übrig. Geht man in den Wiegetritt, ist es meist sofort vorbei, weil das Hinterrad durchrutscht. Jeder erneute Anfahrtversuch wird richtig schwierig. Nach kurzer Zeit ist mein Frühstück komplett verbrannt und ich schiebe nach oben – selbst das ist eine wadenbeißerische Angelegenheit. Dennis Fahranteile sind sicher höher, aber auch er schiebt irgendwann.
Oben an der Sillianerhütte gönne ich mir ein alkoholfreies Weizen als isotonischer Durstlöcher. Jetzt folgt der Höhepunkt des Stonemantrails – die sogenannte Demut-Passage. Dieser Trail fordert die volle Aufmerksamkeit und jedes Prozent technisches Fahrkönnen, das wir aufbieten können. Das wir sturzfrei bis auf einen kleinen Porutscher meiner Wenigkeit runterkommen, ist fast ein Wunder. An einigen wenigen Stellen verweigert mein Bike die Gefolgschaft und bremst einfach, die alte Mähre. Ich bin gnädig und trage das Bike über die Abrisskante des Trails statt es ins Tal zu werfen und nehme die Verweigerung nicht weiter übel.
Nach der kilometerlangen Demut-Passage mit einem Flow von epischen Ausmaßen mündet der Weg in einen steilen breiteren Forstweg über, der uns schnell zur Rotwandwiesenhütte auf 1924 Meter führt. Nun fehlen noch 20 Kilometer bis zum Ende des Stoneman-Trails – keine Höhenmeter bergauf, nur noch Talfahrt. Zeit haben wir noch genug, aber als Hüttenfans wählen wir lieber die Übernachtung auf dieser schönen Hütte unterhalb der Rotwand.
Es findet sich eine Lagerstatt mit vier Betten, die aber nur von uns zweien belegt werden. Fantastisch – keine zusätzlichen Schnarcher. Morgens bewältigen wir die Talfahrt nach Toblach in einer Stunde – Highlights gibt es hier keine mehr. Da der Tag noch jung ist, fahren wir von Toblach weiter nach Cortina d' Ampezzo.
Hier gibt es ein paar Klettersteige, die wir unter die Füße nehmen wollen. Am späten Vormittag fangen wir mit einem C/D – Klettersteig an – der fordert allerdings von Anfang an alle Kräfte. Der Aufstieg an den Fuß der Wand ist eine Hardcore-Veranstaltung. Enorm steil und führt dann über eine breite Geröllmuräne. Hier ist kein Pfad mehr zu sehen – wir suchen Passagen und werden nicht fündig. Die Methode hoch zur Felswand und dann zwischen Felswand und Muräne hoch zur Einstiegspassage, die wir schon sehen können, ist eine kräfteverzehrende Fehlinvestition.
Jeder Tritt in dem losen Gestein löst kleine Geröllabgänge aus. Mir wird Angst und Bang, als Dennis über mir die ersten größeren Brocken auslöst und diese sich in meine Richtung bewegen. Ich steige ein Stück in den sicheren Fels und warte erstmal auf Dennis Pfadfinderfähigkeiten. Immerhin klettert der auch Sechser-Routen. Aber es ist einfach zu gefährlich.
Egal was wir in diesem Geröllfeld in die Hand nehmen – es zerbröselt in unseren Händen. Also rufe ich Dennis zu, dass ich das hier für einen Wahnsinn halte. Ich habe keine Lust mit der halben Geröllmuräne talabwärts zu kullern.
Wir brechen ab und finden uns auf einem Camping-Platz unten im Tal ein. Viel können wir heute nicht mehr unternehmen, also trinken wir ein paar Bier, während wir unser Zelt aufbauen und lassen den lieben Gott einen guten Mann sein.
Der nächste Klettersteig kann bis morgen warten. Dieser Klettersteig führt hoch über einen tief eingeschnittenen Fluss-Canyon am Fels und hinter einem Wasserfall entlang. Landschaftlich ein Highlight, vom Schwierigkeitsgrad zwischen B und C gelegen und ohne Probleme zu bewältigen. Trotzdem staune ich, als drei Italiener ohne Klettergurt, Helm und Klettersteigsicherung diesen Steig gehen. Klar – in den Pyrenäen habe ich so einen Steig auch schon bewältigt – ohne Sicherung. Aber da kannte ich den Weg nicht und musste entscheiden, ob ich abbrechen und zurückgehen oder eben weitergehen wollte. Ich entschied mich für das Weitergehen ohne zu wissen, was da genau auf mich zukommt.
Wirklich klug war das aber nicht, denn ein Fehler an einem Griff kann einen das Leben oder die Gesundheit kosten. Am folgenden Tag sollte ich einen Klettersteig erleben, der zwischen C und D-Passagen wechselte. Das heißt hier teilweise auch an senkrechten Wänden empor zu klettern. Das ohne Sicherung zu bewältigen wäre reiner Wahnsinn.
Dieser Klettersteig mit dem Namen „Ferrata Giovanni Lipella“ beginnt am Fuße der Südwand des Tofana di Rozes. Er ist einer der längsten und landschaftlich reizvollsten in den Dolomiten. Zwischen sieben und acht Stunden dauert die Kletterei rund um den Berg und auf den Gipfel auf 3225 Metern Höhe.
Das ist schon ein Unterschied gegenüber den beiden vorherigen Klettersteigen. Aber es macht Spass! Gott sei Dank habe ich keine Höhenangst. Ich kann an der glatten Wand im sicheren Stand auch schöne Bilder schießen. Die Kamera habe ich gut am Geschirr des Rucksacks festgemacht und mit schnellem Griff bereit. Nach fünf Stunden Dauerkletterei steil hinauf Richtung Gipfel erreichen wir den Abzweig zum Gipfel.
Dennis ist ein Stück vor mir und beginnt den Anstieg zum Gipfel. Ich muss erst mal was essen. Die fünf Stunden Kletterei an der steilen Dolomiten-Wand fordert langsam ihren Tribut. Ich folge nach und bemerke während des Aufstiegs zum Gipfel langsam meine zunehmende Erschöpfung und das Nachlassen meiner Konzentration.
Die Tritte werden zunehmend anstrengender. Laut meinem Garmin noch rund fünfhundert Höhenmeter zum Gipfel. Nach 150 Höhenmetern bekomme ich ernsthafte Zweifel – denn genau diese 500 Höhenmeter muss ich nochmal absteigen auf genau der gleichen Passage wie hinauf. Absteigen ist übrigens generell schwieriger als der Aufstieg, weshalb auch hier die meisten Unfälle passieren. Es ist mein vierter Klettersteig und deshalb entscheide ich mich für den Abstieg zurück und die Fortsetzung des Rundweges. Ich rufe Dennis zu, dass ich abbreche – die Verständigung über zweihundert Höhenmeter ist schwierig, aber am Ende habe ich die Zuversicht, dass er mich verstanden hat.
Ich setze den Rundweg um den Berg fort – wunderschöne Ausblicke mildern meine schweren Gedanken über die Aufgabe ab. Ich wäre gerne auf dem Gipfel gewesen, genau wie auf dem Paternkofel. Aber auch mit einer Klettersteigsicherung ist ein Absturz immer mit hohem Verletzungsrisiko verbunden. Die Klettersteigsicherung hilft nur das nackte Leben zu retten – der Absturz am Drahtseil kann über mehrere Meter freien Fall führen, bis die nächste Stahlsicherung im Fels des Drahtseils erreicht ist. Bis dorthin schrammt man am Fels entlang mit den entsprechenden Blessuren an den Extremitäten – dann kommt der absolute Stopp!. Den mildert das Klettersteigset mit einer textilen Bandbremse, die einen aprupten Stopp des Falls verhindert. Ach ja – die Bandbremse funktioniert nur einmal. Danach handelt es sich um eine einfache Seilsicherung mit zwei Karabinern.
Im Rifugio Dibona warte ich auf Dennis – es dauert eine Weile bis er endlich auftaucht. Wir sind mit dem Geleisteten beide sehr zufrieden. Es war eine stramme Tour mit einer teilweise sehr schwierigen Route. Darüber hinaus gibt es nur noch E-Steige – da werden auch überhängende Felsen überwunden – das ist vielleicht mal was für den nächsten Urlaub. Für diese Urlaubstage bin ich sehr froh über das erreichte Niveau. Nächstes Jahr werden wir sicher wieder ein paar Klettersteige gehen und neue Herausforderungen suchen.
Für diesen Urlaub reicht es und ich möchte hiermit bestätigen – Reinhold Messner hat Recht – die Dolomiten sind das schönste Gebirge der Welt!
Bericht und Fotos: Helmut & Dennis