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Meron Teshome und Amanuel Mengis im Interview

Mittwoch, Feb 10, 2016 in Pro Cycling

Sie kommen aus einem Land, das rund 4 Millionen Einwohner hat und am so genannten „Horn von Afrika“ liegt. Die Nachbarländer sind Äthiopien, Dschibuti und der Sudan. 

Das Land, von dem die Rede ist, heißt Eritrea und die beiden Jungs heißen Meron Teshome und Amanuel Mengis. In einem kleinen Interview erzählen Sie über Ihre Hoffnungen, Erwartungen, sowie erste Eindrücke von Europa.

BIKE AID: Amanuel, Du bist ein noch sehr junger Mann. Mit 21 Jahren ist es nun das erste Mal für Dich so lange und so weit von Deinem Umfeld und Deiner Heimat getrennt zu sein. Wie fühlst Du Dich gerade?

Amanuel Mengis (21): Ich bin überglücklich hier sein zu dürfen. Klar ist es für mich nicht einfach, so weit von zu Hause und meiner Familie weg zu sein. Aber für mich ist es die    Chance in meinem Leben und das, obwohl ich noch so jung bin – davon träumen viele in Eritrea, so eine Möglichkeit zu bekommen. Für uns ist der Sport – und besonders der Radsport (in Eritrea ist Radsport der Sport Nr. 1) – eine einmalige Möglichkeit, uns außerhalb des Landes zu präsentieren und uns eine Zukunft aufzubauen. Dennoch vermisse ich bereits meine Familie und hoffe, es wird nicht zu schlimm werden, aber ich bin ja stark (lacht).

Meron, für Dich ist es schon etwas anderes. Du hast jetzt zwei Jahre in Südafrika im Nachwuchsteam von MTN – Qhubeka zugebracht und konntest dort bereits einige Erfahrungen sammeln. Wie sehen Deine Erwartungen an die Zeit in Europa aus?

Meron Teshome (23): Es ist immer schwierig über Erwartungen zu sprechen. Ja, ich habe bereits einige Erfahrungen in Südafrika und auch mit der Nationalmannschaft sammeln können und auch bereits die Tour de l’Avenir (wichtigste Rundfahrt der U23 Kategorie) bestritten. Dennoch ist dies nun eine ganz andere Aufgabe, schließlich muss ich mich jetzt größtenteils mit den besten Fahrern der Welt messen und das ist schon besonders. So hoffe ich, viele Erfahrungen machen zu können. Aber natürlich wäre es schön mit ein paar guten Resultaten auch Akzente zu setzen.

Amanuel Mengis: (lacht erneut) Ja, der Meron untertreibt manchmal etwas. Er hat ja schließlich einige Erfolge vorzuweisen. Aber er hat schon recht, für uns ist das hier ein riesiges Erlebnis und wir können keine großen Erwartungen an uns haben. Es ist das erste Jahr in Europa und mein Ziel ist es, mich zu entwickeln und an das Niveau hier anzupassen. Der Rennkalender, den wir bestreiten dürfen ist natürlich sehr anspruchsvoll und gibt uns die Möglichkeit, dass wir uns eben auf dem höchsten Level entwickeln können.

Meron, Du sagtest das Niveau hier in Europa ist ein anderes. Worin liegt Deiner Meinung nach genau der Unterschied?

Meron Teshome:  Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Rennen in Afrika sind auch sehr hart, aber eben auf ihre Weise. Das macht sich darin bemerkbar, dass die Rennen in Afrika wenig kontrolliert ablaufen und sehr aggressiv gefahren wird von Anfang bis Schluss. Das macht es sehr anstrengend. Die Rennen hier in Europa haben ein extrem hohes Grundniveau, laufen dagegen kontrollierter ab und wesentlich taktischer geprägt. Aber körperlich ist das schon eine andere Anstrengung.

Jetzt seid ihr beiden ja bereits hier bei der Mallorca Challenge mit den „ganz Großen“ der Szene Rennen gefahren. Was war Euer Gefühl dabei?

Meron Teshome: (strahlende Augen) Es war ein unglaublicher Moment als ich neben Daniel Teklehamaymanot (eritreischer Radprofi bei Dimension Data, WorldTour) fuhr und plötzlich mein Idol Fabian Cancellara neben mir auftauchte. Das war für mich wie ein Traum und ich habe auch zu Daniel (Teklehaymanot) in unserer Heimatsprache gesagt, dass ich es nicht glauben kann, was da gerade passiert.

Amanuel Mengis: ja ja, das war mein Gedanke, als Bradley Wiggins die ganze Zeit neben mir fuhr. Ich konnte das ganze Rennen beobachten, was eben jemand tut, der schon die Tour-de-France gewonnen hat. Einfach unglaublich das Gefühl. Und das in meinem ersten Rennen mit BIKE AID.

Gutes Stichwort. Was bedeutet BIKE AID für Euch und welche Bedeutung hat BIKE AID in Eritrea?

Meron Teshome: Für mich bedeutet dieses Team mehr als nur ein normales Radteam. Es ist mehr wie eine Familie. Das wird deutlich, wenn man sich andere „normale“ Teams in den Hotels oder bei Rennen anschaut. Viele sitzen zwar zusammen, aber reden kaum oder sind mehr mit sich beschäftigt. Bei uns ist das mit viel Spaß verbunden. Wir lachen viel und verstehen uns gut untereinander. Oft schauen uns die anderen an und fragen sich, warum bei uns so viel Spaß herrscht. In Eritrea ist es so, dass viele Menschen BIKE AID kennen und darüber sprechen. Für sie ist es das Team, das ihre Fahrer fördert. Gerade nachdem es jetzt Mekseb (Debesay) durch BIKE AID in die WorldTour geschafft hat, steigen die Erwartungen an das Ganze an. Aber es ist auch ein tolles Beispiel, wie wichtig es für uns Afrikaner ist, diese Möglichkeit zu bekommen: durch BIKE AID konnte Mekseb sein Talent entwickeln und das Lernen, was er braucht um in der WorldTour zu fahren.

Zum Abschluss an Euch beide: was mögt Ihr an Europa / Deutschland:

Amanuel Mengis: Die Straßen hier sind toll! Da kann man schon sehr gut trainieren. Außerdem hat es mir sehr gefallen, als wir auf Mallorca im Training immer eine Kaffeepause eingelegt haben.

Meron Teshome: (fängt an zu lachen) ja, das ist schon schön. Aber als ich hier ankam, hat es geschneit. Ich habe mich zuerst gefreut, da es das erste Mal in meinem Leben war, dass ich Schnee gesehen habe. Aber diese Kälte und der viele Regen, das ist nicht so schön