Die Tour du Faso, eines der legendärsten Rennen des internationalen Kalenders der UCI, findet alljährlich im Oktober über 10 Tage statt. Die Legende begann 1959 mit der Teilnahme von Fausto Coppi an einem Radrennen in Obervolta, aus dem später die Tour du Faso hervorging, Obervolta zu Burkina Faso wurde und Fausto Coppi nach der Rückkehr an Malaria verstarb. 2001 bis 2008 glaubte die Amaury Sport Organisation (Veranstalter der Tour de France) mit der Tour du Faso den afrikanischen „Markt“ erobern zu können. Dies sorgte dafür, dass die Tour du Faso in den westlichen Medien präsent wurde. Seit 2011 ist durch die initiative des
department of tomorrow und dem Einsatz von Dominik Schmengler, Malte Wulfinghoff und Karsten Keunecke wieder ein deutsches Team am Start in Burkina, 2013 nun erstmals mit BIKE AID Beteiligung.
Von dieser Reise wollen wir berichten. Aber was? Über das Land, die Menschen, den Sport, die Erlebnisse? Leicht könnte man ein Buch daraus machen, was man in 10 Tagen Rundfahrt in Zentralafrika erlebt.
Sportlich war es eine Herausforderung einmal kreuz und quer bei Temperaturen an die 40 Grad durch das ganze Land zu fahren, 10 Tage, jeden Tag Rennen. So viele geeignete Straßen für ein Strassenrennen gibt es noch nicht. Für Mountainbiker kein Hindernis, für 23mm breite Reifen sind Schlaglöcher in denen Kleinkinder verschwinden können eher ungeeignet. Aber alle Fahrer des Teams kamen ohne Sturz durch. Wobei wir nicht nur „durchkamen“. Markus Weinberg gewann die 9. Etappe über 169 km von Bobo nach Boronama. Mit Daniel Bichlmann (2. Platz von Fada nach Koupéla über 80km) und Peter Clauß (3. Platz von Fada nach N'Gourma über 128km) gab es noch zwei weitere Podiumsplätze. Benjamin Höber lag bis zur letzen Etappe auf Platz 3 in der Gesamtwertung, ein Reifenschaden kurz vor dem Ziel warf ihn auf Platz 4 zurück. BIKE AID Fahrer Matthias Schnapka quälte sich auf der 3. Etappe mit einer „kleinen Magenverstimmung“ ins Ziel und gab danieder liegend anschließend ein Bild ab, das sich wenig vom Müll im Straßengraben unterschied. Auf der siebten Etappe von Pâ nach Bobo Dioulasso über 132km hatte er sich wieder gefangen und konnte, den ganzen Tag in einer Fluchtgruppe verbringend, den 6. Platz erreichen. Dies brachte ihm eine der vielen möglichen Auszeichnungen bei der Siegerehrung ein: coureur plus gracieux l'étape.
Würden sich unsere Erinnerungen an diese Reise hauptsächlich um die sportlichen Erfolge drehen, wäre es sehr zu bedauern. Was so eine Reise bietet, die Chance so ein Land bereisen zu dürfen, dass kann man nicht in wenigen Worten fassen. Ebenso sind die zwei Wochen vor Ort zu kurz, um ein so fremdes Land zu verstehen. Daher können wir nur ein paar Dinge ankratzen, ein paar individuelle Eindrücke und Halbweisheiten. Vielleicht mit ein paar Fragen, die hoffentlich Lust auf mehr machen, Lust sich mit dem Land und den Menschen weiter zu beschäftigen und vielleicht auch selbst mal dort hin zu reisen.
Wenn man aus dem kalten Deutschland, kurz vor dem bevorstehenden Winter, auf die Straßen Burkina Faso´s katapultiert wird, ist man erst mal überwältigt von der Masse an Leben, die einem überall begegnet. Die Straßen sind voll von Menschen zu Fuß, auf Fahrrädern, mit allerhand motorisierten Geräten die bei uns sofort aus dem Verkehr gezogen würden. Man schläft auf der Straße, kocht auf der Straße und vor allem handelt und repariert man allerhand auf der Straße, was bei uns keinerlei Beachtung mehr bekäme. Burkina Faso zählt nach dem Human Development Index zu den ärmsten Ländern der Welt. Ließt man die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes scheint es eher ungemütlich dort zu sein.
Aber die Menschen sind friedlich, freundlich und scheinen im vergleich zu uns griesgrämigen deutschen viel glücklicher zu sein. Christen, Muslime und traditionelle Religionen leben gemeinsam und ohne Spannungen miteinander. Muslime breiten mitten im Straßentreiben ihren Teppich aus um gen Mekka zu beten, während daneben junge Mädchen ihre Haartracht verschönern. Die Burkinabé leben durchschnittlich von weniger als 400 Euro im Jahr, hauptsächlich durch Subsistenzwirtschaft. Die globalen Megakonzerne, Supermarktketten, Unterhaltungs- und Konsumindustrie tun sich noch schwer, zu Mühevoll die Markterschließung, zu gering die Renditen. Es ist ein Land, das sich wirklich noch von unserer westlichen Lebenswirklichkeit unterscheidet.
In diesem Land organisiert man seit vielen Jahren eine zehntägige Rundfahrt und lädt auch europäische Teams ein. Man ist begeistert bei der Sache, es gibt jeden Tag zehntausende Zuschauer, die nationalen Medien berichten großflächig über das Geschehen. Man ist gastfreundlich, möchte Fremden das Land näher bringen, es herrscht eine beflügelnde, motivierende Atmosphäre, man möchte etwas bewegen, kann sich für Unbekanntes, Neues begeistern. Auch wenn vieles chaotisch scheint, für uns gewöhnungsbedürftig. Das es während dem Rennen in der Fahrzeugkolonne zu mehreren Unfällen kommt, das unser Ordnungsverständnis hier nicht greift, muss man eben akzeptieren.
Vielleicht ist es zu einfach, zu sehr stereotypisch gedacht, vielleicht wäre es bei uns genauso, wäre es entsprechend wärmer und wir etwas ärmer. Aber vergleicht man Burkina Faso und Deutschland, so scheinen wir übersättigt, unglücklich und voller Ängste wir könnten etwas davon verlieren, was uns angeblich so glücklich macht. Die Tour du Faso ist ein einmaliges sportliches und gesellschaftliches Ereignis und die Reise in dieses Land eröffnet die Möglichkeit zumindest kurzzeitig den eigenen Horizont zu verändern. Wir freuen uns, wenn wir wieder kommen dürfen.