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A.G. wie „Aaron Grosser“ oder wie „alles geben“

Freitag, Aug 21, 2020 in Pro Cycling

Er kam, sah und siegte, stürze, kämpfte sich zurück, dann kam Corona und die Entscheidung ein neues Kapitel im Leben von Aaron Grosser aufzuschlagen. Ein junger Fahrer mit Potential zu höheren sportlichen Zielen fast einen Entschluss, dem man Respekt zollen muss.

Aaron Grosser kam wie so viele Talente zuvor vom RSC Unna in den NRW Kader, dann in die U23 Nationalmannschaft und stand vor einer möglichen Profikarriere und gehörte zu den besten deutschen Sportlern auf Kontinental Ebene. Talent hatte er. Aber was Außenstehende kaum sehen können, ist das Ausmaß der Entbehrungen, welche ein junger Mensch und sein familiäreres Umfeld dafür in Kauf nehmen müssen. Radsport auf diesem Niveau geht nicht nebenbei, es ist eine Entscheidung, die alle Lebensbereiche beeinflußt. Wenn man als junger Sportler das finanzielle Invest, die hunderte einsame Trainingsstunden und das gesundheitliche Risiko von Stürzen aufrechnet, ist es keine Sportart, die sich „Auszahlt“. 

Aaron Grosser hatte eine 100% professionelle Einstellung, alles stand hinter dem Training zurück, halbe Sachen sind nicht seins. Als Aaron 2019 zum Team BIKE AID wechselte hatte er das klare Ziel vor Augen Profi in einem höherklassigen Team zu werden. BIKE AID bot ihm einen hochwertigen Rennkalender und ein Team aus erfahrenen Sportlern, welche ihm halfen die nächsten Schritte zu gehen.

Zu dem war es für Aaron eine ganz neue Erfahrung, das bei BIKE AID im Rennen zwar der Erfolg im Vordergrund steht, aber danach auch der Spaß nicht zu kurz kommen darf. Aaron gelang, was bei BIKE AID schon etliche Fahrer zuvor geschafft haben. Der lange Wunsch nach dem ersten UCI Sieg ging schnell in Erfüllung. Viele Fahrer haben das Potential dazu, gehen aber zu verkrampft an die Sache heran. Oft fehlt dann auch das Team, das Bereit ist einen Fahrer mit Sieg-Potential selbstlos im Rennen zu unterstützen.  

Aaron Grosser gewann 2019 die zweite Etappe der Tour of Mersin in der Türkei. Es folgten weitere Podiumsplätze sowie der zweite Platz in der Gesamtwertung der Fernfahrt Belgrade Banjaluka. Alles lief nach Plan, der Erfolg stimmte und ein Stagaire Vertrag bei einem World Tour Team schien in greifbarer Nähe.

Voller Selbstvertrauen startete Aarron Großer bei der Route d´Occitanie in Frankreich, um sich mit Fahrern der absoluten Weltspitze zu messen. Auf der zweiten Etappe kreisten die TV Hubschrauber über dem Feld, das auf die Zielgerade in Martres-Tolosane einbog. Die französischen Kommentatoren konzentrierten sich auf den Sprintzug von FDJ um Arnaud Démare, der klarer Favorit für den Etappensieg war. Aber nur leicht versetzt dahinter war ein BIKE AID Trikot zu sehen, in perfekter Ausgangslage für ein sensationelles Ergebnis. Voller Euphorie bog Aaron in die Zielkurve ein, als sein Rad wegrutschte und er mit voller Wucht gegen einen Poller knallte.  

Von den Hubschrauberaufnahmen sieht man, wie Aaron intuitiv wieder aufspringt, alles scheint gut, dann verliert er das Gleichgewicht. Es sind keine schönen Bilder, Aaron hat einen offenen Schienbeinbruch. Die Saison ist im Juni zu Ende, keine Deutschland Tour, kein Stagaire Vertrag.

Aber Aaron ist ein Kämpfer. Es folgen Operationen und 6 Monate Reha mit vielen Rückschlägen und kleinen Schritten der Genesung. Aber Aaron geht das ganze so professionell an, wie sein Training. Mit eiserner Disziplin arbeitet er sich zurück und steht im Frühjahr 2020 wieder bei Rennen am Start.

Am 08. März 2020 startet er beim belgischen Klassiker „Grote prijs Jean-Pierre Monseré“, 196km widrige Bedingungen und starke Konkurrenz. Die Tour de France Mannschaften kämpfen in einem hektischen Finale um die Positionen für den Sprint und als wäre nie etwas geschehen, kämpft Aaron mit völliger Souveränität mit, belegt am Ende Platz 11 hinter dem Sieger Fabio Jakobsen. Was Aaron zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen konnte, es wird sein letztes Rennen werden und der Sieger Fabio Jakobsen wird später in der Saison ein weiteres Sturzopfer dies knallharten Sports, was zunehmend eine öffentliche Diskussion über die Sicherheit im Radsport auslöst.

Corona beendet abrupt das Weltgeschehen und damit selbstverständlich auch den Radsport. Aaron hat die letzten Monate all seine Motivation in die Reha gelegt, war voller Vorfreude auf die anstehenden Rennen und dann kommt Corona. Damit eine Sache zu viel, die nicht in Aarons Händen lag. Die Aussichten 2021 einen Profivertrag in einem World Tour Team zu bekommen, werden verschwindend gering. Die Saison 2020 bietet zu wenige Möglichkeiten auf sich aufmerksam zu machen, der Profiradsport wird vor großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stehen und es wird kaum freie Plätze in den Teams geben.

Aaron hat seine Motivation aufgebraucht, alles steckte er in die Genesung nach dem Sturz mit der Hoffnung sportlich dort ansetzten zu können, wo er zuvor aufgehört hat. Aaron macht keine halbe Sachen und wenn er 100% in seine Reha gesteckt hat, kann er nicht weitere 100% in ein ungewisses Warten in der Corona Zeit investieren.  

Als Aaron uns vor einigen Tagen seinen Entschluss mitteilte, waren wir zunächst einmal überrascht und traurig einen solchen Sportler in unserem Team zu verlieren. Heute hat Aaron über seinen Social Media Auftritt seinen Entschluss öffentlich gemacht. Aber trotz aller widrigen Umstände hat Aaron das richtige getan, er hat die Möglichkeit genutzt weiter selbst über seine Zukunft entscheiden zu können. Sein Weg war es, für begrenzte Zeit alles auf die Karte Radsport zu setzen. Dieser Weg schien keine Zukunft und um so richtiger ist es, das er nun eine kaufmännische Ausbildung angefangen hat und damit aus eigenem Entschluss einen neuen Abschnitt in seinem Leben beginnen konnte.  

Wir möchten uns bei Aaron für die Zeit in unserem Team und die Erfolge bedanken und wünschen ihm alles gute für die Zukunft!