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Incredible India

Dienstag, Mär 20, 2012 in Community

So lautet der Slogan des Werbevideos, den das indische Tourismusministerium weltweit ausstrahlen lässt. Diese Aussage kann ich nach acht Wochen in Indien getrost unterschreiben. Es ist schier unglaublich.
Reist man wie ich über den Hauptstadtflughafen Delhi ein, so gibt es außer den langen Wartezeiten auf die Anschlussflüge zunächst keine Überraschungen. Entsprechend meinem Reiseplan fliege ich weiter nach Ranchi im östlichen Bundesstaat Jharkhand. Der Flughafen ist so klein, dass man vom Fluggerät direkt ins Terminal spazieren kann. Zwischen Flughafen und meinem Aufenthaltsort trennen mich jetzt nur noch 120 km, die auf dem Landweg zurückgelegt werden müssen. Über eine Art Bundesstraße, die zwar nicht über Fahrbahnmarkierungen, dafür aber über unzählige Schlaglöcher verfügt, werde ich in abenteuerlicher Fahrweise in weniger als drei Stunden nach Jamshedpur kutschiert.
Jamshedpur, auch Steel City genannt, gilt als siebt sauberste und siebt reichste Stadt Indiens, was man hauptsächlich dem hier ansässigen nahmhaften Stahl- und Automobilhersteller verdankt.

Mit meinem Hotel habe ich Glück: Man ist sehr bemüht um die Gäste, das Essen schmeckt gut und es gibt eine einladende Dachterrasse mit Blick auf wahlweise Stahlwerk, Müllkippe, Straßenkreisel mit vorgelagertem Straßenschlachthof oder die Dalma Bergkette.

Kommt Zeit, kommt Rad. Nachdem die Arbeitsplanung freie Sonntage ermöglicht, entscheiden sich ein Kollege und ich zum Kauf von indischen Fahrrädern. Wir wählen die Sonderausstattung ohne Schutzblech, Gepäckträger und Klingel. Obwohl man hier keine Gangschaltung kennt, wiegt das Rad selbst in dieser Variante noch etwa 15 kg.

Gleich nach dem Kauf steht den Rädern und ihren Fahrern die erste Bewährungsprobe bevor. Die mit GoogleEarth geplante Route führt über reichlich Singletrails auf trockenem Erdboden durch die oft steppenähnliche Landschaft bei herrlichem Wetter (30°C, Trockenzeit). Während Pfade im Überfluss existieren, muss man hier Straßen eher suchen. Wir erleben indischen Straßenbau hautnah, natürliche Fahrzeugwaschanlagen, verwunderte oder lachende Menschen, die uns oftmals auch anfeuern.

Der Verzicht auf den Chauffeurservice vom Hotel zur Arbeitsstätte treibt alles auf die Spitze und bringt den Werkschutz in's Spiel. Lässt man sich als Ausländer per Fahrzeug auf das Anlagengelände bringen, so wird man an beliebigen Zugangstoren durchgewunken. Fährt der Ausländer nun mit dem Rad zur Arbeit - so wie es alle Inder unterhalb der Ingenieurskaste tun - so wird er gestoppt am Werkseingang; jetzt will man Zugangspapiere sehen. Nachdem das Bürokratische erledigt ist, fließen wir auch im Werksgelände am Strom der unzähligen Radler vorbei zu unserer Arbeitsstätte. Dort in einen Bürostuhl gesetzt, bekomme ich die unglaublichen Nebenwirkungen meines Insektenschutzmittels aus Deutschlands auf die Armlehnen meines indischen Stuhles zu spüren:
Der Kunststoff wird aufgelöst und geht eine stoffschlüssige Verbindung mit meinen Unterarmen ein.
Die Anfahrt zum Werkstor gestaltet sich gar noch spektakulärer: Man muss sich seinen Weg bahnen zwischen Tuk-tuks, Rikschas, Mopeds, Radfahrern und Kühen - Kollissionen mit den heiligen Tieren gilt es unbedingt zu vermeiden.

Meine Rückreise führt mich über den Flughafen Kalkutta, wo ich während des Verfassens dieses Berichtes im Boardingbereich gerade von reichlich Mosquitos attackiert werde - auch das hätte ich zuvor für unglaublich auf einem Großstadtflughafen gehalten. Wenig verwunderlich also, dass ich mich auf den Rückflug freue.
 
Schöne Grüße
Julian