Pandemie und Radrennen in Asien?
Radrennen in Thailand während einer weltweiten Pandemie? 16 Tage Hotel-Quarantäne? Viele erklärten uns für verrückt, doch wären wir nicht das Team BIKE AID, wenn wir gewisse Dinge nicht anders angehen würden als so manch anderes Team. So machten sich Mitte September Charles aus Uganda, Adne, Daniel, Jesse, Niko, Lucas und Simone als Betreurin auf den Weg nach Thailand. Als Sportlicher Leiter wurde kurzerhand und aufgrund von pandemiebedingten Erschwernissen der in Thailand lebende Holländer Lex Nederlof „verhaftet“.
Zwei Wochen Einzelhaft - viel Zeit für Bücher, oder?
In Bangkok angekommen, hieß es sofort und getreu Monopoli: Ab ins Hotel, gehen Sie nicht über Los und ziehen Sie keine 4.000 Mark ein - und wegschlossen waren sie. Im Hotel, in Quarantäne und jeder für sich ganz alleine. 2 Wochen lang trafen sich alle Beteiligten nur mit Sicherheitsabstand für 45 Minuten pro Tag. Die restliche Zeit wurde im Einzelzimmer verbracht und trainiert wurde auf der Rolle. Niemals zuvor haben unsere Jungs mehr auf ein Rennen hin gefiebert und vor allem darauf, wieder aus Einzelhaft entlassen zu werden.
Tour of Thailand - ein Event mit Begeisterung
Die Tour of Thailand wird seit 2006 ausgetragen und direkt im Anschluss an das sechstägige Männerrennen findet eine dreitägige Frauenrundfahrt statt. Radsport ist in Thailand ein durchaus beachteter Sport und die Rundfahrt wird täglich in voller Länge im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen. Aber vor allem während solch bizarren Zeiten war der Fokus umso mehr auf den „Ausländern“: bereits die Ankunft des Teams BIKE AID in Thailand wurde medial festgehalten und die Entlassung aus dem Quarantänehotel wurde gar von Reportern begleitet.
Die Musketiere aus Thailand
Als einziges ausländisches Team, welches allen Widrigkeiten getrotzt hatte, war man allgemein in der Favoritenrolle gesehen. Das lokale Kontinentalteam – immerhin ein sehr erfolgreiches in der UCI Asia Tour, startete in kompletter Mannschaftsstärke. Aber wie das als Heimmannschaft immer so ist: eigentlich waren es 13 Fahrer, nur eben in unterschiedlichen Trikots und ganz getreu dem Motto: „alle für Einen“. Ein sportlicher Zweikampf zwischen beiden Teams war also vorprogrammiert.
Auf der ersten Etappe ging der Sieg dann eben zu jenem Thailand Continental Team und insbesondere Sprinter Lucas Carstensen war tief enttäuscht, denn es war mehr drin. Mit gewaltiger Wut im Bauch nahmen sich die Jungs vom Team BIKE AID also nun viel vor für die kommenden Tage und sollten nicht enttäuscht werden. Nicht bloß zwei Etappensiege durch Lucas Carstensen kamen hinzu, nein vor allem Nikodemus Holler hatte sich nach einem für ihn etwas enttäuschendem Jahr 2019 das Trikot des Gesamtführenden erkämpft.
So ging es zur letzten Etappe und zum letzten Renntag des „Seuchenjahres 2020“ und jener sollte ein ganz besonderer werden.
Der loyale Daniel und sein letzter "Arbeitstag"
Bereits vor dem Start war das BIKE AID Team emotional, denn nach 8 Jahren im Team war es das letzte Rennen für Daniel Bichlmann im BIKE AID - Trikot. Als loyaler Helfer verbrachte Daniel auch seinen letzten Tag an der Spitze des Feldes. Das Finale wies noch einmal einige Hügel auf und Niko fühlte sich nicht gut. Die Last des Führungstrikots wurde groß und ein Großangriff des thailändischen Teams wurde schon vorher in allen Medien angekündigt.
Charles, Jesse und Daniel hielten das Feld zusammen und verhinderten alle Angriffe. Auf den letzten 3 km wartete ein Schlussanstieg. Die drei Kilometerregel galt nicht und die Straßen waren rutschig. Lucas und Adne sicherten Niko stets von hinten ab um im Fall der Fälle ihr Rad abzugeben. Trotz schlechter Beine blieb Niko souverän in der Favoritengruppe. Ein tragisches Ende nahm die Rundfahrt leider für Charles. Während sich die anderen BIKE AID Fahrer bereits im Ziel in den Armen lagen, stürzte er 200m vor dem Ziel nach getaner Arbeit und Daniel beendete seine BIKE AID - Laufbahn indem er seinen blutenden Teamkollegen über die Ziellinie schob.
Glücklicherweise wurden im Krankenhaus keine schweren Verletzungen diagnostiziert und für die Afterparty war Charles zurück bei seinen Teamkollegen, fehlte aber auf dem Podium. Es gab ja auch einiges zu feiern, denn mit dem Sieg in der Gesamtwertung, zwei Etappensiegen und drei weiteren Fahrern in den Top-10 der Gesamtwertung kann man ein Jahr gut beenden!
Wir kommen wieder
Alle Fahrer und Betreuer waren glücklich die Strapazen der Quarantäne auf sich genommen zu haben und waren sich einig: Das war es wert. Eine perfekt organisierte Rundfahrt, begeisterte Zuschauer und ein wunderschönes Land. Wir kommen wieder!